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NZZ 21.5.2015 Mehr Kohlestromimporte oder mehr erneuerbare Energien? Eine Absage an die Energiestrategie 2050 käme dem Verzicht auf zwei wichtige Hebel gleich. Zum einen würde die Steigerung der Effizienz beim Öl- und Gasverbrauch nicht mehr vorangetrieben. Die Importe fossiler Energieträger blieben tendenziell im heutigen Umfang von jährlich 22 Milliarden Franken bestehen. Zum Zweiten würde der Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung nicht mehr gefördert. Doch könnten wir zur bisherigen Versorgungsstrategie zurückkehren? Ganz klar nein. Da sämtliche Atomkraftwerke in der Schweiz die Hälfte ihrer Betriebsdauer überschritten haben, zeichnet sich deren Schliessung schon heute ab. Deren Ersatz ist aber ungeachtet der politischen Akzeptanz aus wirtschaftlichen Gründen praktisch nicht machbar. Der Staat müsste neue AKW zu zwei Dritteln finanzieren, wie das englische Projekt Hinkley Point zeigt. Eine Abkehr von der Energiestrategie 2050 führt daher zu mehr Stromimporten – wohl Kohlestrom – als Ersatz für die heutige nukleare Produktion. Dabei hängt die Schweiz bereits heute zu 70 Prozent von fossilen Energiequellen ab. Ist es strategisch und klimatisch sinnvoll, diese Abhängigkeit noch zu steigern? Unsere Vorgänger haben es vorgemacht. Sie haben in Wasserkraft investiert, um diese erneuerbare inländische Energiequelle zu erschliessen. Diese Strategie gilt es fortzuführen, nun vor allem mit kostenloser Energie aus Sonne und Wind. Zur Finanzierung solcher Anlagen soll gemäss Bundesrat die Abgabe von gegenwärtig 1,1 Rappen pro Kilowattstunde schrittweise auf ein gesetzliches Maximum von 2,3 Rappen pro Kilowattstunde ansteigen. Dies entspricht einer Erhöhung des jährlichen Fördervolumens um 700 Millionen Franken oder 7 Prozent der gesamten Elektrizitätsrechnung von 10 Milliarden Franken. Der Betrag macht lediglich ein Promille des Schweizer Bruttoinlandprodukts aus; zudem erfolgt die Erhöhung über mehrere Jahre verteilt. Der Konjunktureffekt ist im Vergleich zu anderen Schocks praktisch nicht spürbar, etwa gegenüber einer Preisschwankung von 20 Dollar pro Barrel, die für unser Land einen makroökonomischen Schock in Höhe von 2 Milliarden Franken bedeutet und manchmal innert weniger Monate eintritt. Gegenüber einer Importstrategie hat der bundesrätliche Ansatz zwei strukturelle Vorteile Dank der Energiestrategie 2050 bleibt die Schweiz mit ihrer Stromversorgung unabhängig, und die Ausgaben für Strom fliessen hauptsächlich in inländische Investitionen und Betriebe zurück statt in die Bezahlung von Importrechnungen. Das Argument, diese Förderung sei marktverzerrend, greift zu kurz: Der heutige Strommarkt ist aufgrund der ungedeckten Kosten der fossilen und atomaren Stromproduktion bereits massiv verzerrt. Zudem sind Wind- und Solarkraftwerke mit ihren tiefen Betriebskosten im heutigen Markt kaum finanzierbar. Erst wenn diese Spielregeln geändert sind, kann auf eine Förderung verzichtet werden. Sollte 2018, beim voraussichtlichen Startschuss zur Energiestrategie, eine ungünstige Konjunkturlage herrschen, werden sich die Wirtschaftsakteure über eine Politik freuen, die Investitionen im Inland auslöst und die Modernisierung der Stromproduktion sowie die Sanierung des Gebäudeparks ermöglicht. Dies fördert die Schweizer Wirtschaft – im Gegensatz zu Ausgaben für Ölbarrels und für deutschen Strom aus amerikanischer Kohle. Roger Nordmann ist SP-Nationalrat und Präsident des Branchenverbands Swissolar.
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Contact: Roger Nordmann, Rue de l'Ale 25, 1003 Lausanne, Twitter @NordmannRoger 1.04.2017 |