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Roger Nordmann

Conseiller national

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Politblog 8.8.12

 Europa und Steuerstreit: Nicht erneut eine Steuerreform für wenige

Nach jahrelangem Spiel auf Zeit hat sich der Bundesrat endlich dazu durchgerungen, mit den europäischen Nachbarstaaten den schwelenden Konflikt um die kantonalen Unternehmenssteuerregimes ernsthaft anzugehen. 14 Jahre nach den ersten Protesten der OECD und 7 Jahre nachdem auch die EU Widerstand angemeldet hat, realisieren selbst die bürgerlichen Finanzpolitiker, dass das Festhalten am international nicht akzeptierten Ring Fencing, also der privilegierten Besteuerung von ausländischen gegenüber inländischen Erträgen, kaum mehr länger möglich ist. Der Ruf nach einem Befreiungsschlag ertönt zudem aus der Wirtschaft, weil die verworrene Situation bezüglich Steuerlast keine Planungssicherheit erlaubt. Und nichts deutet darauf hin, dass der internationale Druck auf Staaten mit Steuerschlupflöchern bald abnehmen dürfte – ganz im Gegenteil.

Hier endet nun aber der Konsens, der mittlerweile parteiübergreifend sein dürfte, auch schon wieder. Economiesuisse und bürgerliche Politiker propagieren mit dem Vorwand des Steuerstandortes schlicht eine Absenkung der allgemeinen Unternehmenssteuersätze auf das Niveau der privilegierten Holding-, Domizil- und gemischten Gesellschaften. Nur so könnten die international besonders mobilen Unternehmen von einer steuerpolitisch motivierten Abwanderung nach Zypern, Bulgarien oder Irland abgehalten werden. Was rein standortpolitisch verlockend erscheinen mag, wäre verbunden mit Steuerausfällen von gegen 5 Milliarden Franken für Bund, Kantone und Gemeinden.

Es versteht sich von selbst, dass solche Mindereinnahmen ohne die nötige Gegenfinanzierung nur mit einen sozial-, verkehrs- und bildungspolitischen Kahlschlag möglich wären – und dazu würde die SP nie und nimmer Hand bieten.

Welche Alternativen bieten sich an? Bereits kursieren Ideen, wie die Schweiz sich mit einer neuen fiskalpolitischen Schlaumeierei, im offiziellen Jargon «steuerliche Sonderlösungen» genannt, noch etwas über die Runden retten könnte. Dabei müsste nicht der Steuersatz für alle Unternehmenserträge auf das tiefstmögliche Niveau gedrückt werden. Stattdessen wäre eine selektiv tiefere Besteuerung für Lizenz- und Zinserträge (Boxen) möglich, die wiederum den hochmobilen internationalen Konzernzentralen dienlich wären. Was auf den ersten Blick als gangbarer Weg erscheint, ist in Realität eine Sackgasse, da dieser Trick die Europäer begreiflicherweise nicht überzeugen wird.

Kein Ausweg? Doch, nur ist eine Lösung weit komplizierter als nur ein Schrauben an den Steuersätzen. Erstens stellt sich die Fragen, wie die Steuereinnahmen in der bisherigen Höhe sichergestellt werden können. Und zweitens wie dies geschafft werden kann, ohne einzelne Kantone überdurchschnittlich zu belasten, da nicht alle gleich stark und gleich gelagert von den tiefen Unternehmenssteuern profitieren.

Wie oft bei Steuerpaketen wird auch bei der Unternehmenssteuerreform III der Teufel im Detail stecken. Für die SP sind folgende Eckpunkte entscheidend:

  • Die Selektivbesteuerung der Gesellschaften mit Sonderstatus wird aufgehoben und das Steuerharmonisierungsgesetz entsprechend angepasst. Die Erträge der Gesellschaften sollen einheitlich besteuert werden. Um konkurrenzfähig zu bleiben, können die kantonalen Steuersätze allgemein gesenkt werden.

  • Gleichzeitig muss aber die Bemessungsgrundlage verbreitert werden, indem beispielsweise andere Steuerschlupflöcher wie Abzüge ohne Nachweise der ausländischen Vorsteuern gestopft werden.

  • Die Steuerausfälle durch die Senkung der allgemeinen Unternehmenssteuersätze müssen so auf der Einnahmeseite kompensiert werden, dass der interkantonale Steuerwettbewerb nicht noch weiter angeheizt wird. Dazu drängt sich eine Erhöhung der Unternehmensgewinnsteuer auf Bundesebene auf.

  • Das Gleichgewicht zwischen Bund und Kantonen muss dann wieder hergestellt werden, indem der Bund die zusätzlichen Einnahmen entweder an die Kantone weitergibt, gewisse Aufgaben wie die Hochschulbildung verstärkt mitfinanziert oder beides kombiniert.

  • Auch zwischen den Kantonen muss das finanzielle Gleichgewicht sichergestellt werden, da von der vorgeschlagenen Korrektur des Ring Fencing durch eine tiefere Besteuerung für alle Unternehmen die Kantone Zürich, Basel-Stadt, Genf und Waadt mit den grössten Einbussen zu kämpfen hätten. Diese spezielle Auswirkung ist auf die grosse Anzahl von Hauptsitzen zurückzuführen. Dazu bietet sich ein stärkere Entschädigung der Zentrumslasten dieser Stände im interkantonalen Finanzausgleich an.

Nur mit einem ausgewogenen und umfassenden Ansatz lässt sich der Steuerstreit mit der EU so lösen, dass daraus nicht ein innerschweizerischer Steuerstreit entsteht. Und nur wenn dieser im Interesse aller statt einiger weniger Unternehmen ausfällt, dürfte die SP diese Unternehmenssteuerreform (USR III) auch mittragen. Bei einer Kahlschlag-Version mit erneuten Milliardenausfällen wäre ein Referendum gewiss. Und ein Erfolg an der Urne wäre absehbar, denn das Stimmvolk hat die letzte Unternehmenssteuerreform (USR II) noch nicht vergessen, die nur dank Fehlinformationen über die finanziellen Folgen des Kapitaleinlageprinzips die knappe Zustimmung des Souveräns erfuhr. Da wir in den nächsten Jahren noch an den Steuereinbussen der USR II schwer zu tragen haben, darf und wird sich das nicht wiederholen.

 

 

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1.04.2017