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Roger Nordmann

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Artikel - 19 Oktober 2010

900 Millionen oder 3 Milliarden für einen Strassentunnel am Gotthard? Die Bürgerlichen können nicht rechnen

Ein überparteiliches Komitee aus Vertretern der CVP, der FDP, der SVP und der BDP versucht, von den Feierlichkeiten um den Durchstich des Gotthard-Basistunnels zu profitieren und wirbt für eine zweite Autoröhre. Damit würde die bevorstehende Sanierung des 1980 erstellten Strassentunnels erleichtert, lautet ihre Argumentation. Das Komitee schätzt die Kosten für einen zweiten Strassentunnel auf 900 Millionen Franken. Diese Zahl ist jedoch völlig aus der Luft gegriffen. Dies zeigt der Vergleich mit dem Uetliberg-Tunnel, dem letzten grossen Strassentunnel, der dem Verkehr übergeben wurde (Mai 2009).

Der 4,4 Kilometer lange Uetliberg-Tunnel umfasst zwei Röhren mit je zwei Fahrspuren; insgesamt haben wir es also mit 8,8 Kilometer Tunnel zu tun. Die Kosten beliefen sich auf 1,169 Milliarden Franken*. Also kam ein Kilometer zweispurige Tunnelröhre auf 133 Millionen Franken zu stehen. Rechnet man dies auf einen neuen Gotthard-Strassentunnel hoch (eine Röhre, zwei Fahrspuren, 17 Kilometer Länge), ergäben sich Kosten von 2,3 Milliarden (in Franken von 2008). Aufgrund der Länge des Tunnels und der Geologie wäre der Bau einer zweiten Gotthardröhre jedoch schwieriger als die Erstellung des Uetliberg-Tunnels. Kosten von 3 Milliarden Franken wären also realistischer. Zu diesem Betrag kommen aber wohlgemerkt noch die Kosten für die Sanierung des bestehenden Gotthard-Strassentunnels hinzu. Diese werden auf 300 bis 500 Millionen Franken geschätzt**.

Da ab 2017 der Gotthard-Basistunnel betriebsbereit ist, wäre es nur vernünftig, daraus den grösstmöglichen Profit für die Sanierung des Strassentunnels zu ziehen. Letzterer muss für die Erneuerung während drei Jahren gesperrt werden. Die Alpen-Initiative hat ausgerechnet, wie hoch die Investitions- und Betriebskosten für eine hoch effiziente rollende Landstrasse mit Taktfahrplan wären. Dabei würden Lastwagen im Basistunnel, Autos im alten Bahntunnel transportiert. Die gesamten Investitions- und Betriebskosten beliefen sich während der dreijährigen Sperre des Strassentunnels auf 450 Millionen Franken – also sechs Mal weniger als der Bau einer zweiten Röhre. Hinzu käme ein weiterer Vorteil: Weil während dieser drei Jahre keine Lastwagen auf der Gotthardstrasse die Arbeiten behindern würden, könnten die Autobahn-Zufahrtsrampen am Nord- und Südportal kostengünstiger renoviert werden.

Die 10 Milliarden Franken, die in den Gotthard-Basistunnel investiert wurden, erhöhen die Zahl der Tunnelröhren in diesem Gebirgsmassiv auf deren vier: der bestehende Eisenbahn-Tunnel, der bestehende Strassentunnel und die zwei Röhren des neuen Basistunnels. Statt nun weitere Mittel in eine fünfte Röhre am selben Ort zu investieren, ist es an der Zeit, Gelder für den Verkehr im Mittelland und in den Agglomerationen einzusetzen. Dies umso mehr, als sowieso mehrere Milliarden Franken notwendig sein werden, um die NEAT ans italienische Eisenbahnnetz anzuschliessen.

Bereits vor den Eidgenössischen Wahlen 2003 hatten die Bürgerlichen mit dem Gegenvorschlag zur «Avanti»-Initiative die Übung zweite Gotthardröhre gestartet. Die vom TCS ausgelöste Zwängerei stiess 2004 beim Stimmvolk auf wenig Gegenliebe: Eine zweite Gotthardröhre wurde in sämtlichen Kantonen und mit insgesamt 63 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Offensichtlich ist dieser wiederkehrende Ruf nach einer zweiten Röhre ein zyklisches Stück gutschweizerischer Politfolklore. Trotzdem frage ich mich, ob sich dahinter nicht auch eine psychoanalytische Dimension verbirgt: Ein erneuter Durchstich des Gebirgsmassivs unserer Gründerväter – der fünfte – scheint gewissen Trieben zu entsprechen, die die republikanische US-Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin während der Wahlkampagne 2008 elegant in der Formel «Drill, Baby, drill» gekleidet hatte.

 

* Quelle: http://www.westumfahrung.ch/pages/html/index.html?wu_content_frame=/pages/html/westumfahrung/projekt/uetlibergtunnel/index.html

** Quelle: Baublatt 7/2010, 19 février 2010.

*** Quelle: http://www.alpeninitiative.ch/d/PDFs/2010-Studie%20Sanierung_d.pdf 

2010.10.19 www.sp-ch.ch

 

 

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