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Roger Nordmann

Conseiller national

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Article PSS 9.10.2006

Die einleuchtenden Lehren aus einem Stromausfall           

Der Stromausfall vom 4. November in mehreren europäischen Ländern ruft die strategische Relevanz der Netzinfrastruktur wieder in Erinnerung. Strom kann nicht gelagert werden, weshalb das Netz jederzeit im Stand sein muss, die produzierten Mengen zu den VerbraucherInnen weiterzuleiten. Ein Netzausfall an einem gewöhnlichen Samstagabend ohne extreme Wetterlage – also zu einem Zeitpunkt mit eher tiefem Verbrauch – ist höchst Besorgnis erregend. Somit kann ein noch grösserer Blackout an einem sehr kalten oder sehr warmen Werktag nicht mehr ausgeschlossen werden.

Diese strukturelle Verletzlichkeit ist vor allem auf den stetig steigenden Stromverbrauch zurückzuführen (+ 24% innerhalb von zehn Jahren in EU). Dieses Wachstum belastet die Übertragungs- und Erzeugungsinfrastruktur zunehmend. Der liberalisierte Strommarkt war nicht fähig, die nötigen Korrekturmassnahmen zu treffen. Bezeichnenderweise wird der Auslöser des Blackouts in Deutschland geortet, einem Land mit beinahe inexistentem Marktregulator. Der „Markt“ wird von vier regionalen Oligopolisten dominiert, deren astronomischen Gewinne direkt auf unausreichende Investition in die Netze zurückzuführen ist, wie die Süddeutsche Zeitung vom 6. November 06 festhält: „Ihr [der Stromkonzerne] Interesse daran [an Netzinvestition] hält sich in Grenzen, denn je mehr Leitungen Deutschland mit dem Ausland verbinden, desto schwieriger lässt sich auch der deutsche Markt kontrollieren. In dem aber wollen die vier großen deutschen Stromerzeuger, Handel hin, Handel her, gern das Sagen behalten. Das Heft halten sie in der Hand, schließlich betreiben die Konzerne auch alle großen Stromautobahnen.“

Ein zu tiefes Investitionsniveau in das Übertragungsnetz rentiert sich doppelt für die vier deutschen Oligopolisten. Einerseits fliessen die ersparten Beträge direkt in den Unternehmensgewinn. Andererseits erlauben die dadurch entstehenden Engpässe, die Kundschaft an sich zu „binden“. Die KundInnen müssen nämlich beim jetzigen Lieferanten kaufen, da die Netzkapazität fehlt, den Strom von anderen Erzeugern zu ihnen zu transportieren. Somit kann der herkömmliche Lieferant pro KWh einen überhöhten Preis verlangen. 

Um die Preise nach oben zu treiben, gibt es noch eine dritte Möglichkeit; nämlich zu wenig in die Stromerzeugungskapazität zu investieren. In Deutschland konnte diese Gefahr allerdings dank dem Einspeisegesetz zum Teil abgewendet werden. Der Mechanismus der kostendeckenden Einspeisevergütung für erneuerbaren Strom hat innerhalb von fünf Jahren zum Aufbau einer ansehnlichen Produktionskapazität an Windstrom geführt. Windstrom stellt mittlerweile über fünf Prozent der Gesamtproduktion dar und trägt wesentlich dazu bei, die Preissteigerung zu dämpfen. Gewisse Stimmen haben versucht, den Blackout vom Wochenende einer Überproduktion an Windstrom anzukreiden, die das Netz überfordert habe. Doch die ersten Analysen zeigten, dass die Windstromproduktion exakt der auf Grund der Wetterprognosen vorausgesagten Menge entsprach. Übrigens: Entgegen einer verbreiteten Meinung bildet die kumulierte Produktion tausender Windmühlen eine geglättete und voraussehbare Gesamtenergiemenge, auch wenn jede Windmühle einzeln betrachtet starken Schwankungen unterliegt. Nichtsdestotrotz schafft die Integration der Windenergie ins Netz zurzeit noch gewisse Schwierigkeiten. Denn das Übertragungsnetz wurde nicht genügend umgebaut und verstärkt, um den Windstrom aus Norddeutschland zu übertragen. Dieser verpasste Ausbau begrenzt die Verwertung des Windpotentials aus dieser Region. Es handelt sich hier um eine weitere negative Folge von nicht ausreichenden Investitionen in die Netze.

Die politischen Schlussfolgerungen dieser Auslegeordnung liegen auf der Hand:

1) Das Eigentum und der Betrieb des Übertragungsnetzes muss einer Gesellschaft anvertraut werden, die im Besitz der öffentlichen Hand ist und deren Unabhängigkeit gegenüber Stromproduzenten und –verteilern gewährt ist. Es geht dabei um eine ausgeglichene Netzentwicklung, die im Interesse der Allgemeinheit liegt. Die Lösung des Ständerats, die jetzt auch von der nationalrätlichen Kommission angenommen wurde, geht in die von der SP während der Debatte im Nationalrat angeregte Stossrichtung. Die SP ist daher mässig zufrieden, auch wenn die Entflechtung leider noch unvollständig ist. Doch noch steht der Entscheid des Ratsplenums aus, die SVP und einzelne der Stromwirtschaft nahe stehende FDP-ler bekämpfen die Ständeratslösung.

2) Jede neue Strompanne verstärkt die Volkskepsis gegenüber der Liberalisierung des Strommarkts. Der zwischen den Gewerkschaften und der Wirtschaft ausgehandelte und im Ständerat verbesserte Kompromiss stellt das absolute Minimum zur Sicherung der Stromversorgung dar. Eine abgeschwächte Version würde vom Volk garantiert abgelehnt. Mit Bedacht hatte der Ständerat die Grenze von 100 MWh/Jahr beibehalten, unter der in den ersten fünf Jahren keine Liberalisierung stattfinden darf. Und er hatte die Möglichkeit eines Referendums vor der vollen Öffnung wieder eingeführt. Leider werden diese Eckpfeiler des Kompromisses in der nationalrätlichen Kommission wieder in Frage gestellt.

3) Zum Stromversorgungspaket gehören drastische Massnahmen zur Erhöhung der Stromeffizienz; jede ersparte KWh braucht weder erzeugt noch transportiert zu werden. In Anlehnung an die EU-Absichten soll die Schweiz einen ehrgeizigeren Massnahmenkatalog einführen. Die „einfachen“ Stromsparmöglichkeiten, die eine Reduktion des Gesamtverbrauchs um 10 Prozent erlauben, müssen Pflicht werden: nur A-Klasse stromeffiziente Haushalt- und Bürogeräte sowie Ersatzprogramme für Widerstandsheizungen.

4) Die Produktion von erneuerbare Energie muss massiv gefördert werden, um die Produktionskapazität zu verstärken. Ihre dezentrale Struktur erlaubt es, die Netze zu entlasten und vermeidet den Import von Strom aus fossilen Energien. Konkret geht es darum, die in Deutschland erprobte kostendeckende Einspeisevergütung mit ausreichender Finanzierung und unter Einbezug der Photovoltaik einzuführen

 

 

Service de presse du PSS,  9.10.2006

 

 

  

 

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